Hallo ihr Lieben,
das fängt ja gut an, dachte ich, als ich heute morgen die Jugendherberge Rheine anrief, um die erste Übernachtung klarzumachen. Der Anrufbeantworter erklärte nämlich, bis zum Abschluss der Renovierung April 2021 sei nichts zu machen. Naiv wie ich bin, hatte Ich mal wieder gedacht „Jugendherberge geht immer“.
Erinnert ein bisschen an den Versuch mit den Ratten und den Studenten, deren Lernfähigkeit getestet wurde, indem es für das Durchqueren eines Labyrinths eine Belohnung gab: Futter für die Ratten, 5,- DM hinter einer Klappe in der Wand für die Studenten. Derart angespornt, lernten beide Gruppen schnell. So weit, so vorhersehbar. Doch dann ging der eigentliche Versuch los: das ForscherInnenteam hörte nämlich auf, die Belohnung zu hinterlegen. Die Ratten machten sich noch dreimal die Mühe mit dem Labyrinth, merkten dann: „Es gibt nichts mehr.“, und sparten sich den Weg. Die Studenten, ihr werdet es ahnen, werden noch heute als graubärtige, gebeugte Greise dabei beobachtet, wie sie nachts mit der Taschenlampe durch dieses inzwischen halbverfallene Labyrinth tapern und mit zitternder Hand wieder und wieder die Klappe heben.
Fazit: Menschen sind beim Lernen ähnlich begabt wie Ratten, weigern sich aber standhaft, einmal Gelerntes jemals wieder zu modifizieren, seien die neuen Tatsachen noch so überzeugend.
Von daher: Ich lern auch nichts dazu. Damals, zu Schulzeiten, waren Jugendherbergen billig, schlicht und schickten keinen weg. Also ist das heute bitte auch so, egal ob auf der Website steht: „Einzelreisende nur im Einzelzimmer, 66,- € pro Nacht“ (wie erwähnt. Es schockt mich immer noch.)
Es hat aber alles sein Gutes: von Rheine aus kann man mit dem Schienenersatzverkehr wieder nach Emsbüren fahren und im eigenen Bett schlafen.
Und euch noch diesen Post schreiben, der womöglich schon wieder der letzte ist, denn das Handy hat sich als nicht kompatibel mit der WordPress-Version herausgestellt. Entweder nutze ich dann jetzt Bibliothekscomputer oder so (aber ich glaube, Orte mit Bibliothek sind nicht der Standard auf der Strecke) – oder ich schreibe euch wieder die guten alten Mails.
Gleich der erste Reiseeindruck nach 3km altbekannter Waldstraße war in Helschen, wo mich ein Containerlaster beinahe umfuhr, als er mit Schwung in die Dorfstraße einbog. Zwei Minuten später traf ich ihn wieder, es war offenbar ein Müll-Laster mit Greifkran. Der Fahrer stand daneben und spielte mit einem Joystick, und der große Greifarm tastete sich an eine einsam am Straßenrand rumstehende blaue Mülltonne ran, umfasste sie, drückte ein bisschen zu und hob sie hoch. Ich guck mir ja so Technik manchmal ganz gern an und wollte jetzt sehen, wie das Altpapier in den Container gekippt wird. Und der Greifarm drehte die Tonne auf den Kopf, der Deckel klappte auf, und raus rollten ungefähr ein Dutzend tote rosa Tiere (hoffen wir, dass es Tiere waren, es ging so schnell) und purzelten in den Container. Größenmäßig sahen sie wie kleine Ferkel oder große gerupfte Enten aus. Und das Ganze roch auch nicht besonders gut. Ein schöner Einstieg, dieses Memento Mori. Man fragt sich gleich wieder: „Aha, aber die Geschwister von denen, die kann man dann schon essen, oder wie? Sind die jetzt aussortiert wegen ansteckender Krankheiten? Verenden da die Ferkel einfach im Stall? Und ab wann ist ein Lebewesen Müll?“
Für morgen habe ich übrigens ein Bett in der Jugendherberge. In Tecklenburg, da war ich vor Jahren schon mal. Allerdings ist der Marsch von Rheine lang und von Hörstel (nächster Bahnhof) aus immer noch, vor allem, weil ich zum Auftakt ja jetzt die 7 km zum Emsbürener Bahnhof davor habe.
Und der heutige Spaziergang (bei dem ich in Anbetracht sparsamer Temperaturen und überbordender Luftfeuchtigkeit immer mal wieder denken musste: „Ja SPINN ich denn? Was soll der Quatsch?!?“) zeigte zudem, dass bequeme Schuhe und Blasenfreiheit nicht immer unbedingt gekoppelt sind. Da bin ich nun in den dicken Hanwag-Botten hunderte von Kilometern gelaufen, nicht sehr glücklich mit den Schuhen, aber blasenfrei, und nun kommen diese herrlichen Barfußschuhe, bei denen trockene, warme Füße (auch bei diesem Wetter und extrem matschigen Wegen) sich bei jedem Schritt in trockene, warme Schuhe kuscheln, ach was, hineinausbreiten können, und wohlig „Ach jaaaa!“ murmeln – aber nach 12,13 km fängts unter der Fußsohle an zu brennen, und alles deutet auf Blasenzucht in größerem Stil hin. Hm. Ich habe natürlich auch den alten Kniff mit „Niemals in neuen Socken loswandern“ nicht beachtet. Das sind zwar erstklassige Kamelhaarsocken, aber man rutscht da ein bisschen drin hin und her.
Also: Für die Mordstour morgen, die ja dann noch dazu den vollständigen Rucksack dabei hat, nicht wie heute so ein 3,6-kg-Proviantpäckchen, unbedingt Wechselsocken zum Experimentieren mitnehmen. Und doch wieder Pflaster. Das hatte ich mir ja in Frankreich abgewöhnt, weil ich es nie gebraucht habe.
Also, Fazit des ersten Wandertages: Landschaft flach, recht hübsch (Kanal, Forst, Felder), Wetter nicht wanderfreundlich. Morgen unbedingt Handschuhe und falsche Daunenweste zusätzlich zum geplanten Gepäck mitnehmen.
Ach ja, übrigens habe ich schon drei weitere Übernachtungen, die gar nichts mit Jugendherberge zu tun haben, und auch keine Hotels sind. Ich hab mich nämlich doch mal bei Couchsurfing angemeldet. Und zwei der Angefragten haben sofort geantwortet und zugesagt, und die eine hatte in den Blog reingeguckt und fand das spannend. Also hat selbst die technisch unvollkommene Variante schon was genützt.
Und eine Lachyoga-Kollegin nimmt mich auch auf. Wunderbar. Und ich werde trotzdem zu früh in Korbach sein, wenn ich nicht noch Umwege mache. Oder blasenbedingte Pausentage…
Erstmal grüße ich euch herzlich vom Hybrid-Wander-Daheim-Tag, gehe jetzt ins Bett und breche morgen früh endgültig auf. (Wenn das Wetter mich nicht überzeugt, dass man grundsätzlich vor Juni nicht das Haus verlassen sollte…)
Julia