
Hallo ihr Lieben!
Vorneweg heißen Dank an alle, die mir mit ihren Singkursbeiträgen und sonstigen Spenden das Überleben in unterrichts- und auftrittsfreien Zeiten gesichert haben! Damit habt ihr ein sehr gutes Werk getan. Denn in Niedersachsen gibts tatsächlich keine KünstlerInnenbeihilfen, und die vielgepriesenen Selbständigen-Soforthilfen des Bundes betreffen mich anscheinend nicht. Und dank euch konnte ich das sehr gelassen sehen.
Wer findet, dass andere Selbständige, die nicht das Glück haben, euch und die anderen als KursteilnehmerInnen zu haben, auch überleben sollen, kann hier eine weitere aktuelle Petition unterzeichnen – für Beihilfen, die im Gegensatz zu bisher dann auch für Essen, Miete und Krankenversicherung genutzt werden dürfen.
Lange habt ihr nichts mehr von mir gehört. Außer denen, die einen der späteren Singkursdurchläufe gemacht haben.
Aber Himmel, wenn man so am Ort sitzt, gibt es tatsächlich viel weniger zu erzählen. Jedenfalls von dem, was ich so erzählen möchte. Soll ich euch etwa die Backrezepte schicken, die ich ausprobiert habe oder von meiner ersten Sauce Hollandaise erzählen? Das wäre denn doch zu verzweifelt. Klavierübestrategien könnte ich noch anbieten, denn ich habe seit vor der Nebenfachabschlussprüfung nicht mehr so viel geübt wie jetzt. Und Tipps, um beim pantomimischen Radfahren nicht umzufallen. Und Naturbetrachtungen über langsam aufblühende Rosensträuche und Krüßels Bio-Möhren, deren oberste Stückchen, die beim Kochen übrigbleiben, im Garten ganz phantastisch anwachsen und wieder austreiben, wenn man sie einpflanzt. Sollte hier weiterhin wenig los sein, halte ich euch auf dem Laufenden, ob noch mal ganze Möhren draus werden.
Tatsache ist, dass ich mich von dem multiplen Lern-Marathon des Singkurses erstmal sehr gründlich erholen musste. Und dann wurde das Wetter kalt und grau, und ganz wie in Kitschgeschichten sich immer das Wetter der Stimmung der Geschichte anpasst, machte ich das auch, bloß umgekehrt. Nachdem ich wochenlang behauptet hatte, es gäbe kaum etwas Schöneres, als im Emsland in pandemischen Berufsverbot festzusitzen, fand ich das auf einmal überhaupt nicht mehr.
Zum Glück kam dann Saskia noch mal für ein Wochenende zu Besuch zu Radtouren und viel Gitarrespielen. Und Himmelfahrt kam Mücke aus Essen, und wir haben uns auf eine nicht von fröhlichen Landmännern zu Flüssigkeitsaufnahmezwecken besetze Waldwiese fernab von allem gestellt (ja, die, wo ich auch den Kurs aufgenommen hatte, bloß weiter rechts, weil weiter links tatsächlich ein Angler/Jäger/Naturbeobachter saß und irgendwas angelte, jagte oder beobachtete. Genau auf der Wiese, wo garantiert nie jemand vorbeikommt!) und haben Duette gesungen.
Jede Menge schamlosen Kitsch.
WAR das schön, mal wieder mit einem echten Menschen zu singen und nicht immer nur mit mir selbst im Kanon zur Aufnahme!
Sofort haben wir beschlossen, da ein kleines Selva-Outdoor-Konzert draus zu machen Ende Juni (Selva, das sind meine beiden Susannen und ich als singende Damen und wahlweise Christoph, Thomas oder Andreas oder im Luxusfall sogar zwei von denen als uns beflügelnde oder beorgelnde Herren.) Aber täuscht euch nicht! Obwohl es in Gelsenkirchen eine phantastisch geeignete Kirche dafür gibt, wo wir den Flügel nach draußen auf die überdachte Kirchentreppe rollen und im umgebenden Park weit verstreute Klappstühle aufstellen könnten, fand das Ordnungsamt das alles viel zu gefährlich. Erstens müsse der Abstand der Stühle DREI Meter in jede Richtung betragen (klar, wenn ich 1,50 Abstand von dir halte und du 1,50 Abstand von mir, sind wir bei drei Metern, das ist nur logisch), und außerdem bestünde die Gefahr, dass die Leute mitsängen. Na sicher. Dieselben Menschen, die in der Kirche schon bei „Lobe den Herren“ den Schnabel nicht aufkriegen, werden todsicher Schumanns „Nänie“ mal einfach so mitsingen. Noch dazu, in der Ultraschall-Lage, in der Mückes Sopran da rumturnt. Kurz: wir sind noch nicht fertig mit Verhandeln. Denn auch der Kirchengemeinde wurde es auf einmal doch noch mulmig mit dem Gedanken, man könne einfach so Musik für die anderen machen.
Dass bei gutem Singen die Aerosoltröpfchen eher 50 als 150 cm weit in den Raum verwirbelt werden, hat jetzt ein Forscherteam (nein, kein ForscherInnenteam in dem Fall) der Bundeswehruniversität München gezeigt:
Und man könnte ja auch in seine Armbeuge singen. Was dem Husten recht ist, sollte dem Singen billig sein.
Oder noch besser: Man setzt das Hagemannsche Sing-Verhüterli auf. Gebastelt wird es aus zwei Socken und einer Spargeltüte, die in der Reihenfolge Socke -Tüte – Socke ineinandergewurschtelt werden.

Die Spargeltüte ist aerosoldicht (das ganze Ding bläht sich beim Singen etwas auf, das ist aber sehr dekorativ), und die innere Tropenauffang- und Reflektierschutz-Socke wird einfach nach jeder Chorprobe fachgerecht entsorgt oder ausgekocht. Nasenschutz braucht man nicht, quasi kein Mensch hat beim Singen noch Luft übrig, um sie durch die Nase auszuatmen.
Die Griffe der Spargeltüte können direkt als Ohrenhenkel verwendet oder mit Gummibändern verlängert und um die Frisur herum befestigt werden. Für alle, die wie Urte voraussagen, dass wir sonst eine Spezies von Segelohrigen werden.
Nach Mücke kam noch Simone zu Besuch, und wir haben noch mal einen großen Karton aussortierter Sachen zum Trödler gebracht, jede Menge gespielt und im Garten rumgebuddelt und all die Sachen eingepflanzt, die mein Nachbar mir in die Einfahrt gestellt hat. Der, der nachts die Großgärtnerei bewacht, und nicht mit ansehen kann, wie viele noch halbwegs ansehnliche Pflanzen da auf den Wegschmeißhaufen landen. Also rettet er immer mal was und verteilt es hier in der Siedlung. Nur das nicht, was rotweiß blüht, das pflanzt er selbst bei sich ein, er ist Bayern-München-Fan.
Kann es sein, dass ich schon wieder von Hölzchen auf Stöcksken komme?
Ich habe jedenfalls ernsthaft versucht, noch weitere Singkurs-Einheiten hochzuladen. Schon weil ja der Kurs im Tönetreffen in Buchenried auch noch abgesagt wurde, ganze drei Tage vor Beginn, und jetzt der spartenübergreifende Zweiwochenkurs, den ich ab Dienstag gehalten hätte, AUCH noch. Es hatten so viele coronabedingt storniert, dass der Rest nicht ausreichte, um den Kurs laufen zu lassen.
So, und als ich dann auf meiner Waldwiese stand und erhellende Dinge übers Chor-Einsingen ins Mikro erzählte, fand ich das Ganze auf einmal so schlecht, uninspiriert und dröge, dass ich mitten im Satz den Computer zugeklappt habe, mich ins Gras gesetzt und „The Ash Grove“ auf der Guitalele gespielt habe. Das war viel schöner. Denn SO will ich meine Kurse nicht. Dass man ihnen ansieht, dass ich sie nur mache, weil ich es kann oder weil ich Geld damit verdienen will. Nee. Entweder machen die zumindest ein paar Leute von denen, die sie angucken, glücklich, oder die Welt braucht sie nicht. Als ob es nicht im Moment genug Internetkurse gäbe!
Einen Tag war ich auch schon stundenlang eine rostige Hochsitzleiter rauf- und runtergeklettert, tonleitersingend, als Beispiele für den Töne-Treff-Kurs. Und als ich dann ganz am Ende geguckt habe, wo die Filmdateien hin sind, waren ALLE weg. Und dabei wäre das zumindest schon die mittel-inspirierte Fassung gewesen! Da hat das Schicksal eingegriffen.
Also dauert es noch ein bisschen, bis die Dinge so ausgebrütet sind, dass sie fliegen können. Schiefe Metapher, aber ihr versteht schon.
Hohooo, dafür habe ich aber schon ein paar sehr lustige Beispiele für den zukünftigen Kurs in „Singen und Text – Erzfeinde oder erstklassige Verbündete?“ geschrieben. DAS macht dann wieder Spaß. Mehr verrate ich noch nicht. Irgendwann kommt dann hier der erste Kurstag für alle, die wollen.
Und JETZT muss ich euch aber noch was Tolles erzählen.
Stichwort Internetkurse… ich mach ja gerade zwei mit. Einen in Aufnahmetechnik für Singstimmen bei EdX.org, damit ich meine Kanons und anderen Sachen mal ETWAS weniger ahndgestrickt aufnehmen kann, und einen im sinnvollen Üben bei einem schottischen Jazzgitarristen (www.playinthezone.com). Und jener Mark von Play in the Zone hat (statt uns einfach zu sagen, wir sollten ein bisschen langsamer oder bewusster spielen oder so was Praktisches) Montag von uns verlangt, wir möchten uns bitte zunächst mal darüber Rechenschaft ablegen, was wir denn WOLLEN mit unserem Musizieren. Damit man dann all die Dinge, die einen nicht dort, sondern ganz woandershin bringen, zu weiten Teilen vom Übeplan verbannen und die gewonnene Zeit verwenden kann, das zu üben, was einen dem Ziel näher bringt. Ich fand das eine ärgerliche Zumutung, wollte aber nicht gleich am Kurstag eins aufgeben. Also setzte ich mich auf den Hosenboden und dachte drüber nach. Und fand heraus, dass ich tatsächlich z.B. NICHT besonders virtuos werden muss auf dem Klavier. Und beim Singen auch nicht. Ich muss keine Opernarien singen können, da ich sowieso nur sehr mäßiger Opernfan bin, und ich muss nicht wahnsinnig laut übers Orchester brüllen können, denn was ich will, hat größtenteils mit Klang und Bewegung, Präsenz und Fluss zu tun. Damit, ganz direkt und persönlich hörbar zu sein, und ganz ungekünstelt und einfach den Inhalt zu singen und die ZuhörerInnen zu erreichen. Bzw. Linien auf dem Klavier so singen und schwingen zu lassen, dass es froh macht, zuzuhören.
Tja. Und vor zwei Wochen hatte ich sowieso schon mal nach Klavierläden im Nordwesten Deutschlands geguckt (die sind hier nicht so dicht gesät), weil mein Klavier zwar sehr schön klingt, aber einfach ein hundertzwanzigjähriger Greis mit entsprechend klapprigem Gebiss ist, auf dem ganz viele Dinge nicht mehr gehen.
O je, schon wieder schiefe Metapher.
Ihr wisst schon, was ich meine.
Es lässt sich nicht mehr so richtig stimmen, und viele Tasten machen komische Dinge. Und das Furnier schlägt Wellen wie Trump beim Twittern. (Hat auch die Farbe seiner Frisur.)
Also jedenfalls hatte ja schon, als ich noch keine vierzig war, damals, mein Düsseldorfer Klavierbauer beim Stimmen schon immer gesagt “Wegschmeißen, neues kaufen!“, was ich empörend fand.
Aber so langsam….
Und da in Westerstede in Ostfriesland ein Klavierhändler mit nett aussehender Auswahl zugesagt hatte, kostenlos bis hierher zu liefern und sogar den Senior mitzunehmen (ich hatte ja so lange gedacht, kein neues anschafen zu können, weil ich sicher war, das alte NIE wieder hier aus der Hütte rauszukriegen, so schwierig wie der Einzug war), habe ich gestern die große Ostfriesland-Runde mit Zug, Rad und Bus gemacht, um zu gucken. Über Leer, Weener, Augustfehn, Westerstede und Ocholt. Wer jetzt „Hä?“ sagt, gehe da mal Radfahren.




Von eins bis drei hat Herr Cording mit Engelsgeduld zugehört, wie ich in seinem unfassbar vollgestellten Laden all seine Klaviere durchprobiert habe. Und musste immer wieder eins wegschieben, damit ich an ein anderes drankonnte. Und irgendwann pendelte ich nur noch zwischen zweien. Und bei einem davon musste ich immer heulen, weil der Klang so schön war. Nur war das Äußere so unansehnlich wie jedes beliebige olle Gemeindehausklavier. Aber der Klang! Weich und voll und bunt und facettenreich, und es lud zum ZUHÖREN ein beim Spielen, zum Lauschen auf jede Note und jede Nuance.
Na ja, ihr werdet es längst geraten haben.
Ich habe mir mitten in „Es ist Corona und alle haben Finanzpanik“ ein Klavier gekauft!!!!! Noch dazu ein hässliches Entlein. Das seine Schwanen-Eigenschaften gut im Innern versteckt. Und ich grinse über beide Ohren, während ich das schreibe.
Ich hab gestern meine Hirschhausenfamilie vollkommen totgequatscht vor lauter Begeisterung, als wir zusammen mit großem Abstand um einen Café-Tisch saßen. Keiner kam zu Wort außer Frau Hagemann in Klaviereuphorie.
Und FALLS jetzt jemand von euch denkt: „Das ist so toll, das möchte ich unterstützen!“, lege ich hiermit ein Mini-Crowdfunding dafür auf.
Mein Vorschlag: Wer sich gern an meinem Klavier beteiligen möchte, kann das mit einem beliebigen Beitrag tun.
- Für jede Spende bedanke ich mich mit einer Briefkarte mit handgezeichnetem Knoten (wenn ihr das wollt und mir eure Adresse schreibt).
- Für Spenden ab 20,- € aufwärts gibts zusätzlich zur Karte eine signierte CD oder drei von mir gewählte brandneu aufgenommene Lieder aus meinem Repertoire am neuen Klavier. (Geübt nach Mark Morley-Fletcher und mit einer Spur von dem Wissen, das Prince Charles Alexander (ja, der heißt so) mir auf EdX vermittelt.
- Für Spenden ab 50,- € aufwärts nehme ich euch exklusiv ein Lied eurer Wahl aus dieser Liste auf, mit mündlicher Widmung für euch oder jemanden, dem ihr das schenken möchtet. Verschicke ich per Mail als mp3.
Wenn ihr lieber nicht wollt, dass ich reinsinge, dann spiele ich euch einen Satz aus Bachs französischer Suite Nr. 6 E-Dur. Vermutlich nicht perfekt, aber 100 % echt und live. Der wäre aber tendenziell überbezahlt damit.
Unter http://www.paypal.me/reisemeise, Stichwort „Klavier“, gern mit Zusendeadresse für die Karte, oder fragt gern nach der guten alten Kontonummer.
Und NIEMAND fühle sich gedrängt, bitte! Macht das nur, wenn ihr Lust auf die Bonbons habt oder auf das Gefühl, mir ein paar Tasten oder Saiten oder Hämmer geschenkt zu haben, und wenn ihr nicht eh schon GroßspenderInnen seid! Denn das Schöne ist, ich überlebe auch so ganz prima, besser als so manche KollegInnen.
Bis hierher haben ja sowieso nur die ganz hartgesottenen Reisemeisenfans gelesen, schätze ich 🙂
Ich wünsche euch eine gute Nacht und frohe Pfingsten, am besten mit Frischluft, und danke fürs Mitlesen!
Viele liebe Grüße
Julia
