Nachdem wir nun drei Runden hoch gemauert haben (oder „gesackt“? „gebeutelt“?), kommen die in den Pausen hergestellten Holzpflöcke zum Einsatz (ich vergaß zu erwähnen: wer nicht mehr kann und völlig fertig ist vom Erde-Hacken, kann eine „Pause“ machen, in der er oder sie dann 4 cm starke Haselstämmchen zu unterarmlangen Pflöcken („pegs“) zersägt und mit dem Beil unten anspitzt. Davon wird man Unmengen brauchen, wie man am Berg der Haselstämmchen sieht). Die Pflöcke werden dann durch alle drei Sackschichten durchgehämmert, wobei einige Hämmer zu Bruch gehen. Merke: Stämmchen mit Astgabeln oder rechten Winkeln eignen sich nicht besonders als Nägel.
Und natürlich muss man in jeder Runde mit der schwimmenden Wasserwaage (dem Ding am gespannten Faden, das hier wahlweise „floating water level“ oder „spirit level“ heißt) nachmessen, ob alle Stellen der Wand gleich hoch sind. Weil, wenn Louie an der einen Seite des Hauses gefüllt hat und Nina an der anderen, dann kann es sein, dass man sie in der nächsten Runde die Plätze tauschen lassen sollte. Laut Lehrbuch sollte immer eine Person eine ganze Runde legen – aber wir wollen ja innerhalb einer Woche fertig werden und können uns solchen Luxus nicht erlauben. Außerdem wollen wir ja alle spielen, und zwar sofort. Ach ja, und mit dem „compass“, dem Bindfaden am Pflock in der Hausmitte, muss man in jeder Runde (wirklich in jeder) gucken, ob der Durchmesser des Kreises noch genau stimmt (wie beim Töpfern auf der Drehscheibe haben Dinge aus Erde ja das unwiderstehliche Bestreben, die Form einer Müslischale anzunehmen, ganz gleich, ob man einen Teller oder eine Blumenvase geplant hatte) und ob alle Säcke (ja, alle!) erstens gleich weit von der Mitte weg liegen und zweitens genau über dem drunter. Und, wenn das zwei verschiedene Dinge sind, einen Kompromiss zwischen den beiden Erfordernissen finden.
Nach der dritten Runde kommt eine Feuchtigkeitssperre aus dicker Plastikfolie, die vom Boden hoch über die Sackoberfläche (mit kleinem Überstand) reicht. Idealerweise füllt man die unteren Reihen auch mit Kies, um die aufsteigende Feuchtigkeit zu entmutigen.
Die Feuchtigkeitssperre braucht an allen Anstückelstellen großzügige Überlappung, wird in anmutigen Falten rundherum gelegt und mit Nägeln fixiert.
Dann geht das Elend los, und man steigt von den schön stabilen Futtersäcken auf Endlosschläuche um. Was theoretisch schneller geht, weil man nicht so oft an beiden Enden schräg einfalten muss. Bloß sind leider die falschen Schläuche geliefert worden, aus dünnem, schnell reißendem und aufribbeldem Gewebe mit einer diagonal umlaufenden Naht, die sich zerlegt, wenn man sie nur schief anguckt.
Und wir müssen sie nicht nur schief angucken, sondern mit zunehmend schwerer und klebriger werdenden Erdklumpen (ja, denn das Wetter hat natürlich gewechselt, jetzt ist es kühl und regnerisch, und mangelnde Feuchtigkeit des Materials ist nicht mehr das vorherrschende Problem) füllen, eher vollstopfen und dann in eine Drehung zerren und rütteln und klopfen, damit die Kurve der kreisrunden Wand folgt. Klar, dass das nur bei jedem zweiten Schlauch klappen kann, höchstens, der Rest platzt irgendwann auf und muss bis 50 cm vor dem Loch wieder geleert werden, abgeschnitten und dort umgefaltet. Am Ende des Schlauchs wird die Erde wieder mit dem Batter plattgeklopft, als wolle man einen Ziegelstein fälschen, und dann halten zwei Leute die Erde an Ort und Stelle, während die dritte blitzschnell einen strammen Briefumschlag faltet und den Materialrest so weit es geht unter die Erdwurst stopft. Wenn dabei die Ziegelsteinform verlorengeht, fängt man wieder von vorn an.
4.Tag
David bringt heute starkes Klebeband mit, dann können wir hoffentlich einige aufplatzende Nähte noch retten.
Gestern haben wir die gotische Holzform fürs Türgewölbe in den Eingangstunnel gesetzt (der Tunnel wird gebraucht, weil der an der Stelle sonst offene Mauerkreis durch eine „buttress“ am Nach-außen-Wegbrechen gehindert werden muss – und außerdem siehts toll aus und gibt uns die Gelegenheit, einen Rundbogen mauern zu lernen). Das hat ewig gedauert, weil wir einen Weg finden mussten, sie so auf drei Beinen auszutarieren, dass sie nicht umfällt, wenn man erstens drumrum arbeitet und sie zweitens mit mandarinenstückchenförmigen nassen Erdsäcken belegt, andererseits aber leicht herauszuholen ist, indem man die Beine drunter wegschlägt, woraufhin sich dann zeigen wird, ob sich das Gewölbe von selbst trägt.
Demokratie kann bei so einer Aktion sehr hinderlich sein, weil man so lange über völlig untaugliche Ideen diskutieren muss. Z.B. das einzeln stehende hintere Bein mit zwei gespannten Schnüren an zwei Pflöcken zu „befestigen“. Da die Schnüre stramm in dieselbe Richtung zogen, brachte das natürlich das ganze Konstrukt gefährlich aus dem Gleichgewicht. Demokratie ist aber insofern auch wieder gut, als einem dann eben nicht befohlen wird, es trotzdem so zu machen, sondern man selbst Gegenvorschläge machen kann, und so hatten wir dann irgendwann die Form halbwegs stabil eingebaut und konnten mit innen-platt-außen-breit-gehauenen Erdsäcken drumrummauern. Ich war richtig wild auf mehr harte Arbeit nach dem ganzen Pusseln, Denken und Form-Festhalten, und enttäuscht, als schon einen Sandsack später das Ende des Arbeitstages eingeläutet wurde.
In den Nächten hat es zum Teil unheimlich geregnet – ein Wunder, dass mein Zelt dicht blieb! – so dass die lehmige Erde extrem schwer und klebrig und eigentlich zu nass für die Erdsäcke war. Sie lässt sich dann nicht nur genau so schlecht verdichten wie zu trockene, wir gewöhnten uns außerdem alle eine sehr ungünstige Technik an, weil die Erde im Schlauch eben nicht dahin rutschte, wohin sie sollte, und so stopften und drückten wir alle an den Säcken rum, leerten die geplatzten, konnten dank Daves Klebeband zumindest ein paar davon noch verpflastern und retten, bevor sie ganz rissen, und kamen auf so untaugliche Ideen, wie ein Stück frischen Schlauch über den gerissenen zu wursteln oder gleich die ganze Länge des Schlauchs doppelt zu nehmen.
Ersteres führt zu heillos ausfransenden Schlauchenden, in denen man sich in der nächsten Runde ständig mit den Füßen verheddert (weil man ja oben auf der Mauer steht) und die nachher beim Verputzen Ärger machen, zweiteres lässt sich so gut wie gar nicht verarbeiten, weil die Schläuche immer irgendwie falsch ineinander stecken und sich ineinander verkeilen. Außerdem ist die Runde mit den doppelten Schläuchen viel schmaler ale alle davor, es gibt jetzt einen richtigen Absatz in der Wand.
Und die Schläuche rissen trotzdem auf.
Paulina und Lizzie sahen sich den Kampf an, bis wir ungefähr auf Augenhöhe gemauert hatten. Dann sagten sie: „Ihr macht euch das viel zu schwer. Es sollte leicht und schnell gehen und nicht viel Kraft kosten. So ein Schlauch sollte in einer Viertelstunde gefüllt sein. Vielleicht zeigen wir es noch mal.“
Jede der beiden bekam eine Erd-Einfüllerin zugeteilt und stieg auf ihre jeweilige Seite des Gewölbes. Ich hinter Lizzie her mit dem ersten Eimer.
Und dann legten sie flott und gelassen mit elegantem Ruckeln am Schlauch eine Runde Earthbags. Der Trick: Man steht mit dem Rücken zur Fahrtrichtung, Blick Richtung Hausmitte. Der zum Sack zeigende Fuß wird als Rampe und Weiche unter diesen geschoben, so dass man beim Einfüllen durch kleine Bewegungen mit Knie, Fuß und Zehen bestimmen kann, wohin die Erde rutscht. Dabei zieht man an der Außenseite des Schlauchs Richtung Hausmitte, um ihn in eine gleichmäßige Drehung zu bringen, die dann die Kurve der kuppelförmigen Wand ergibt.
Man muss zu unserer Ehrenrettung dazusagen, dass an dem Tag die Erde genau richtig mittelfeucht war und sich erstklassig verarbeiten ließ.
So waren sie nach kurzer Zeit gegenüber der Tür am halbfertigen Fenster angekommen, das durch Platzhalter-Sandsäcke mit Öffnung zur Außenwand, provisorisch mit Schnur verschlossen, offengehalten wurde.
Dann wurden wir eingeteilt, so dass jedeR noch mal eine Runde mit der neuen Technik machen konnte – reichlich hoch oben inzwischen.
Ich war aber heilfroh, weil ich davor stundenlang zum Eimer-Befüllen (der Job mit Spitzhacke, Spaten und bloßen Händen gegen steinharte Lehmsäcke, ihr erinnert euch….) eingeteilt war, was frustrierend sein kann, wenn die anderen daneben munter Spitzbögen mauern und oben auf der Wand den Tamper schwingen. Besonders erbittert hat mich, dass Terry, der mit mir zur Sklavenarbeit eingeteilt war, das eine Stunde gemacht hat und dann fröhlich abzwitscherte, um am Türbogen mitzumauern. Während ich (der „German Code“ * ist in die Gene fest einprogrammiert) vor mich hingrummelnd weitergrub und Erde in löchrigen, henkellosen Eimern zu den Bauenden schleppte.
Allerdings hatte Terry als Herkules des Kurses unglaublich gute Vorarbeit geleistet und einen Berg Erde gelockert, den ich nur noch auszugraben und einzufüllen brauchte.
Ich habe dann nachdrücklich darum gebeten, dass wir noch mal die Jobs tauschen, und kurze Zeit stand ich oben und zerrte am Erdsack rum und wackelte mit dem Knie.
Aber wie am Vortag wurde das Ende des Arbeitstages eingeläutet, als ich gerade dachte: „So könnt’s noch zwei Stunden weitergehen.“
Und wegen der häufigen Schauer mussten wir über Nacht immer alles mit Planen abdecken, so dass ich nicht gut allein weitermachen konnte.
Pöh! Ab ins Zelt zum Gitarrespielen. Und zur Lektüre so herrlicher Bücher wie „The Hand-sculpted House“ aus Paulinas Kursbibliothek.
Demnächst könnt ihr nachlesen, ob die Arbeitsverteilung wieder besser wird 🙂
Liebe Grüße
Julia
* Wem das mit dem „German Code“ nichts sagt, der besorge sich die Känguru-Hörbücher von Marc-Uwe Kling, gelesen vom Autor. Einer der wenigen Fälle, wo 1. “gelesen vom Autor“ besser ist als selber Lesen und 2. der zweite und dritte Band keine Spur schlechter sind als der erste. Sie lohnen sich alle.