Lehmputz 1

Hallo ihr Lieben!

Gleich nach den zwei Ruhetagen (die ich ja dummerweise zu Arbeitstagen gemacht habe) haben vier von uns weitergemacht, jetzt mit dem Lehmputz-Kurs. Dass Matilde es doch noch möglich machen und sich in ihrer Bio-Gemüsegärtnerei dafür freinehmen konnte, hat mich besonders gefreut. So ein zauberhaftes Wesen.

Theory of Clay
Clay wird im Deutschen mal mit Lehm, mal mit Ton wiedergegeben. In diesem Zusammenhang meint Paulina Tonpartikel.

Lehmboden kann sich zusammensetzen aus
– Tonpartikeln (kleiner als 2 Mikrometer, plättchenförmige Partikel, die sich beim Trocknen halbmondförmig zusammenziehen und dadurch enorme Stabilität / Klebkraft erzeugen können,
– Schluffpartikeln (ab 2 Mikrometer und rund, weshalb sie beim Trocknen nicht diese Art Stabilität herstellen)
– Sandpartikeln (über 63 Mikrometer)
Ton setzt sich, wenn man alles mit Wasser anrührt, als letztes, also oben ab. Wenn man also Ton zum Töpfern braucht: Lehmboden mit Wasser aufrühren und langsam über Tage/Wochen ablagern lassen. Ganz unten und ziemlich schnell setzt sich der Kies ab, danach der Sand, dann der Schluff. Die oberste Schicht sollte ziemlich reiner Ton sein.

Lehmpartikel kleben aufgrund ihrer Form gut zusammen. Beim Trocknen schrumpft das Ganze erheblich, was zu Rissen im Putz führen würde, wenn man nicht mit Sand oder anderen Füllmaterialien das Schrumpfen verhindert. Wenn so viel Sand drin ist, dass quasi schon Sandkorn an Sandkorn liegt, führt das Zusammenziehen der dazwischengeklemmten Tonpartikel nicht zum Schrumpfen, sondern zu erstklassiger Stabilität. Guter Putz enthält genug Ton, dass er klebt, und genug Sand, dass er sich nicht ausdehnt oder zusammenzieht. Statt Sand gehen auch Stroh, Holzspäne, Marmorstaub und Ähnliches.
Durch Probe-Pfannkuchen findet man die richtige Mischung für die jeweilige Gelegenheit raus: eine tellergroße Platte des Materials 1,5 – 2,5 cm dick ausrollen, trocknen lassen und gucken, ob sie reißt. Wenn nicht, auf der Wand noch mal probieren.
Probe-Patty 1: reiner Lehm wie aus dem Garten gegraben oder vom Baustoffhandel geliefert.
Probe-Patty 2: 1 Teil Lehm, 1 Teil Sand mit etwas Wasser gut vermischen und ausrollen.
– 1 Teil Lehm, 2 Teile Sand
– 1 Teil Lehm, 3 Teile Sand
– bei sehr tonigem Boden evtl. 1 Teil Lehm, 4 Teile Sand und mehr
– 1 Teil Lehm, 1 Teil Sand, 1 Teil Stroh
– 1 Teil Lehm, 2 Teile Sand, 1 Teil Stroh

Lehmputzkurs Tag 1: Paulina kündigt an, wir würden heute nur graben und Erde sieben. Die Schufterei geht also nahtlos weiter. Mein Rücken protestiert. Zum ersten Mal in diesem Kurs. Zum Glück kann man auf verschiedenste Weise trotzdem Lehm sieben, auch auf dem Boden sitzend, dass Sieb auf dem Eimer abgestützt.


In diesem Kurs dürfen wir all das anwenden, was uns mit drei Jahren schon Spaß gemacht hat. Auf der Erde hocken und im Sonnenschein mit Sieb und Eimer spielen. In Matsch wühlen und barfuß drin rum treten. Im Namen der Wissenschaft, den wir müssen ja Probefladen der verschiedenen Mischungen zum Vergleichen anfertigen. Und um ein Gefühl für das Material zu kriegen.
Eine tellergroße Platte der reinen Erde, wie sie The Crossings unterhalb der Humusschicht aufzuweisen hat. Sehr lehmig und glitschig. Beschriften mit Stöckchen, damit man nachher weiß, was was ist.
Dann Lehmboden und Bausand zu gleichen Teilen gemischt (beschriften 1:1, Lehm steht vorn) dann Lehm mit zwei Teilen Sand, dann mit dreien.
Am Anfang denkt man immer, das würde jetzt überhaupt nicht halten, Dann stellt sich raus, dass es als Putz viel besser zu verarbeiten ist als der reine Lehm. Und außerdem hinterher nicht reißen wird, weil, wenn in dem Mix sowieso schon Sandkorn am Sandkorn stößt, das Zusammenziehen des trockenenden Lehms nicht zum Schrumpfen führt, sondern zu sehr großer Stabilität.
Und dann noch ein, zwei Probefladen mit reingeknetetem Stroh.

Nachdem wir 14 Säcke feinster Lehmkrümel und ungefähr acht mit mittelfeinen haben, graben wir NOCH mehr Lehm aus und schütten ihn ungesiebt in Bottiche, in denen schon etwa 5 cm Zentimeter hoch Wasser steht, das wir hierzu aus dem Teich holen. Nach einer Stunde sind die Klumpen zu Schlick zerfallen, den wir durchkneten um danach in einer Art umgekehrten Wäschewaschens das Stroh drin dreckig zu machen.


Alles Stroh, das total eingelehmt ist, wird auf einer Plastikfolie aufgehäuft und später mit Schmackes auf die Wand gepfeffert und in alle Löcher und Ritzen gestopft. Und mit den Händen verschmiert.
Matildes Wand sieht von vornherein wie eine wunderschöne Lehmwand aus. Bei Dave und Nina und mir ist alles noch ziemlich struppig. Aber wir lernen voneinander, und es macht Spaß.

Zum Üben haben wir die gartenseitige noch unverputzte Wand eines Strohballenhäuschens. Damit wir gerade Wände haben, um anständig verputzen zu lernen und weil unser wunderschöner Dome sowieso wieder abgerissen wird, damit er nicht irgendwann ins zukünftige Schwimmbecken rutscht. Aber Dave geht ausprobieren, ob Strohlehm auf Plastik hält, und kommt begeistert zurück: „It sticks!!!“
Woraufhin ich abends, als die anderen weg sind, den Eingang der Kuppel verputze inklusive der Innenseite. Lehmputz klebt auf Plastik sogar über Kopf! Es macht unfassbar Spaß und fühlt sich an wie Nach-Hause-Kommen, das zu machen. Ich sehe meine Zukunft als Lehmverputzerin schon vor mir.

Tag zwei. Wir beenden unsere Schuppenrückwand und sind hingerissen und stolz auf uns. Paulina kommt und sagt: „Now this is a bumpy wall. Next, you’ll learn to make a straight wall.“

Dafür mixen wir die zweite Schicht Putz an: mittelfein gesiebte Erde wird in 5 cm stehendes Wasser gegossen, bis sie fast die Oberfläche erreicht. Diesmal mit einem halben Eimer Sand vermischt. Nachdem das Ganze durchgezogen ist, wird es zu sehr weichem Schlicker verknetet, per Hand oder Fuß, und mit geschnittenem / gehäckseltem / mit dem Rasenmäher überfahrenem Stroh verknetet, bis die ganze Wanne eine weiche, faserige, gut knetbare Masse ist. Das Stroh wird schön lappig dabei. Der Tag ist kalt und regnerisch und eigentlich kein Barfußwetter. Aber es ist ja viel rückenfreundlicher, da einfach drin rumzulaufen, als davorzuhocken und hundert Liter Matsch per Hand zu kneten. Dreckig von oben bis unten wird man sowieso.
Dann müssen wir unsere schöne, organisch gewellte und hügelige „bumpy wall“ mit der neuen Mischung und hölzernen Putzkellen („Trowels“) und „Hawks“ (Brett mit Griff zum Putz-drauf-Aufhäufen, das wir alle nach kurzer Zeit zur Seite gelegt haben, weil es schwer und unhandlich und keine große Hilfe war) zu einer glatten, senkrechten Rigips-Imitation zurechtputzen. Das ist natürlich aussichtslos, macht die Wand hässlicher und macht überhaupt keinen Spaß. Meine Zukunft als Lehmverputzerin ist abgeblasen. Aber Paulina bleibt eisern. Wir sollen lernen. Natürlich dürften wir unsere eigenen Häuser nachher krumm lassen, und ja, sie finde das auch schöner, aber manchmal wolle man ja auch einen Schrank oder ein Bild an der Wand aufhängen können. Oder habe Auftraggeber, die nicht wollten, dass man sieht, dass es ein Strohballenhaus ist. Also los. Lange gerade strokes, nicht viele kleine!
Dave kriegt das am schnellsten raus, wie es geht. Matilde geht es wie mir, sie mag auch keine geraden Linien. Sogar ihre Gummistiefel sind oben zu anmutigen Zacken geschnitten. Aber sie kann arbeiten und beißt sich durch.
Am Nachmittag kommt Paulina und zeigt uns, wie man dekorative Kanten und Spiralen mit nagelbürstengroßen Holzkellen da reinmodelliert. Und wir bauen überm Fenster zwei tschechische Bierflaschen mit besonders schöner grüngoldener Glasfarbe in die Wand ein.

Ich bin, als wir aufhören, so müde, dass ich es fast nicht schaffe, bis sieben wachzubleiben, um meine Bratkartoffeln zu machen, bevor die Tochter der Farmbesitzer mit ihren Freundinnen die Outdoorküche belegt, um ihren vierzehnten Geburtstag mit großer Camping-Party zu feiern.
Was mich dann in der Nacht wachhält, ist aber nicht die Party, von der ich hauptsächlich das Trommeln am Schubkarren-Lagerfeuer höre, sondern der Sturm, der mir das Zelt um die Ohren schlägt.

Liebe Grüße, lasst es euch gutgehen!
Julia

Fotos dieser Seite: Nina Kitchin

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