
Hallo ihr Lieben!
Ablauf eines normalen Clay-Plastering-Kurses bei Paulina: sie stellt eine neue Technik vor, gewöhnlich die nächste Schicht der untadeligen sechsfach verputzten idealen Lehmwand. Man setzt die dazu erforderliche Lehm-Stroh- oder Gesiebter-Lehm-Strohschnitzel-Sand- oder Lehm-Sand-Pigmentmischung an, vergnügt sich, während sie quillt oder sich setzt oder was diese Mischungen sonst so tun, wenn man nicht hinguckt, mit letzten Verfeinerungen der Technik von gestern, die heute kinderleicht ist, fragt sich, warum man sich dabei je so blöd angestellt hat, und steigt dann mit neuem Werkzeug und neuen Anweisungen auf die aktuelle Technik um. Und muss feststellen, dass man leider der totale Handwerks-Töffel ist mit Null Ahnung von nichts und eklatanter Unbegabung. Die Putzbatzen regnen auf den Boden, die japanischen Master-Plasterer-Kellen schneiden tiefe Rillen in eigentlich schon ganz schön gewesene Putzschichten. Paulina sagt: „Das machen wir jetzt ein paar Stunden, bis…“, und man denkt: Ist die irre? Stunden sollen wir mit diesem Frust klarkommen?
Und man sieht, wie die drei anderen langsam besser werden. Und man selber hat dieses Wandstück mit dem unregelmäßig geformten Fenster drin.
Und Irgendwann verstummen die Gespräche, und alle vier sind wir ganz versunken dabei, unsere Wand mit einer glatten Glasur aus glitschigem Strohhäcksel-Lehm zu überziehen.
Nur ab und zu ruft jemand: “This is aMAZing! So wonderful!“, oder ähnliches. Und wer immer von uns mal kurz weggeht, um ein anderes Werkzeug zu holen oder was zu essen, lacht erst mal begeistert auf, wenn er oder sie um die Ecke kommt und die Wand wieder sieht. Sie ist nämlich mitnichten hässlicher geworden als sie nach unserer handgeklopften Strohlehmschicht war. Im Gegenteil. Wir werden immer besser, und das sieht man. Und das Design mit fließenden Kanten und Schnörkeln ergibt sich völlig von selbst. Und wenn Paulina dann sagt: „Kommt zum Schluss, jetzt ist die nächste Technik dran!“, sagt man: „Was, schon?!? Wo es doch gerade so nen Spaß macht.“

Die Schichten bisher waren:
1) Auf die unverputzte, nur zum Teil mit Schlicker beworfene Strohballenwand kam die Mischung aus ins Wasser gegossenen Lehmboden-Klumpen aus dem Garten mit Stroh (lang). Gut zum Modellieren beliebiger Formen inklusive lustiger Dächlein für die Baumstamm-Stücke des Fundaments oder auch ungefähr gerader Wände.
2) Mittelgesiebter Lehm in 5 cm Wasser gegossen. Ein halber Eimer Sand dazu. Wenn es eine joghurtartige Pampe ist, gehäckseltes Stroh reinkneten, so viel wie möglich.
Wird glatter, ist aber noch zum Modellieren geeignet. Mit großen Holzkellen aufbringen und möglichst plane Flächen herstellen. (In alle Täler reichlich Putz geben und mit der Kellenkante verteilen, bis keine Täler und „hohlen Stellen“ mehr zu sehen sind.)
3) Mit derselben Mischung „Bevels“, also dekorative Kanten und Ornamente herstellen, mit kleinen Holzkellen oder – ideales Werkzeug – einem Esslöffel. Gern auch da, wo sowieso schon Kanten sind oder um beliebigen Kurven eine geplant aussehendere Gestalt zu geben.
4) 1/2 Eimer Wasser, 1 Eimer fein gesiebter Lehm, 2 Eimer Sand, 3/4 Eimer fein gesiebtes Häckselstroh, per Hand verknetet. Aufgetragen mit japanischen Master-Plasterer-Kellen, die viel mehr Spaß machen, sobald man den Dreh raus hat. Hiervon wird nachher überall, wo keine bunten oder Kalkputzschichten landen, eine zweite Schicht aufgetragen. Diese Sorte modelliert nicht mehr, ist sozusagen die Glasur der Torte.
Heute haben wir dann erst Kalkputz angesetzt (1 Teil Kalkpampe, 2 Teile Lehm, von Hand NOCH feiner gesiebt, weil immer noch Steinchen drin waren, 9 Teile Sand, 1 Teil Wasser. Kalk braucht in Gegensatz zu Lehm auf jeden Fall immer die dreifache Menge Sand zur Verwendung als Putz. Lehm je nach Lehmsorte unterschiedlich viel, hier aber auch die dreifache Menge. Deshalb 9 Teile Sand. Wäre es nur die doppelte Menge gewesen, hätte man gerechnet: 1 Teil Kalk + 3 Teile Sand, 2 Teile Lehm + 4 Teile Sand, also insgesamt 7 Teile Sand. Und weil es immer von der Qualität des jeweils verwendeten Lehms abhängt, ist es auch völlig sinnlos, „Rezepte“ für den idealen Lehmputz liefern zu wollen. Das Tolle an diesem Kurs ist, dass wir ein Gefühl dafür kriegen, wie die Sachen sich anfühlen müssen, und was man tun kann, um die richtige Konsistenz zu bekommen.
Dann haben wir Mischungen aus dem feinst gesiebten Lehm in ebenso viel Wasser mit dreifacher Menge Sand und Farbpigmenten angesetzt. Der Plan: Sie kommen an verschiedenen Stellen auf die Wand unter den Kalkputz. Danach wird der Kalkputz zu Mustern geschnitzt, die bis auf die farbige Schicht reichen.

Dann gab es Essen, und wir waren nur so mittel motiviert, weiterzumachen. Aber als wir erst mal dran waren, gab’s kein Halten mehr. Leuchtendes Rot und sonniges Indischgelb und zwei undefinierbare Erdtöne, die angeblich gelb und orange hätten sein sollen, haben wir auf die Wände gespachtelt, als hätten wir das schon immer gemacht. In Flächen, verlaufend, gemischt und geschichtet. Die Wand sah sehr hippiemäßig bunt aus.



David fing schon mal mit der zweiten Schicht Feinstroh-Lehm an auf den Ornamenten und zwischen den Farben, und gegen vier kam Paulina und sagte, wir müsste nun dringend auf den Kalkputz umsteigen (der ist viel wetterbeständiger als reiner Lehm und außerdem schön hell. Schutzbrille, Handschuhe und olle Klamotten tragen beim Ansetzen!). Nass hatte unser Kalkputz die Farbe und Konsistenz von Leberwurst und war im Vergleich zum Strohlehm verblüffend leicht auf der Wand zu verteilen. Wenn ich nur wieder nicht dieses unregelmäßige Fenster gehabt hätte! Ich musste quasi immer über Kopf gebogene Leberwurstbrote schmieren. Jedenfalls spachtelten wir alle unsere bunten Farben über, und jetzt sieht die Wand wieder so seriös aus wie nur was. Ich bin gespannt, ob wir morgen alle unsere bunten Unterputze wieder finden oder an den falschen Stellen schnitzen.

Die anderen sind gegen sieben gegangen. Ich hatte kaltes Abendessen, weil ein Spaßvogel von der Geburtstagsparty das einzige funktionierende Feuerzeug für den Gasherd mitgenommen hatte, und habe bis zehn weiter über Kopf Leberwurstbrote geschmiert, bis das kleine Fenster samt seiner Umgebung auch auf der Innenseite des Häuschens ganz schön aussah.

Liebe Grüße für heute!
Julia