Tanzt mehr!

Hallo ihr Lieben!
Die Sommerwoche in Medititation des Tanzes mit Heidi Hafen, bei der ich den Gesangs-Part des Unterrichts beisteuern durfte, war ganz herrlich und eine Energietankstelle. Jedenfalls, als wir uns erstmal zurechtgeruckelt hatten.
Mit Aufteilung in Kleingruppen in zwei großen Räumen. Mit Tanzen ohne Maske – dann aber für jeden Gang auf den Korridor eine aufsetzen. Obwohl wir die einzige Gruppe im Haus waren und außer uns nur noch je zwei Angestellte Dienst hatten.
Zum Glück fielen uns solche Lösungen ein wie: Das Klavier in die Terrassentür stellen, zwei Drittel der Gruppe, denen Frischluft wichtiger als gute Akustik war, stehen draußen (ggf. unter Sonnen- oder Regenschirmen), die anderen drinnen, was die Aufteilung in Kanongruppen sehr leicht macht.
Oder gleich mit kilometerweise zusammengestöpseltem Verlängerungskabel die Musikanlage auf die große Wiese stellen und im riesigen Kreis tanzen und singen.

Es war erstaunlich, wie anstrengend wir alle die Tage voller Tanz und Gesang fanden. Aber, wie Heidi richtig sagte: Wir alle hatten seit Monaten nicht getanzt, nicht gesungen und waren kaum mal in einer Gruppe unterwegs gewesen.
Und: anscheinend ist gerade das Verbinden mit anderen zum Paar oder zur Kreisform einer der Punkte, die beim Tanzen Kraft geben. Und hier standen wir und versuchten mit aller Kraft, dem Gesetz Folge zu leisten und Abstand zu halten, tanzten vereinzelt vor uns hin, genossen die Form und litten doch unter der Instabilität, die aus der Vereinzelung kam.
Heidi hatte dann die Idee, immer morgens mit frisch gewaschenen Händen zwei Tänze mit Handfassung zu tanzen, dann allein weiter, und vor der Pause noch einen letzten mit Fassung zum Kreis – und dann rannten alle (mit Masken auf) Richtung Bad und stellten sich in die Schlange vorm Waschbecken.
Schon komisch.
Aber – es war das beste, das wir kriegen konnten, und pünktlich zum Kursbeginn hatte die Niedersächsische Regierung Kontaktsport bis zu dreißig Personen in geschlossenen Räumen erlaubt.

Luisa hatte ihre Harfe dabei und hat begleitet, wenn wir draußen gesungen haben. Und abends hat einmal sie ein Märchen erzählt, einmal Uschka, eine andere Märchenerzählerin in der Gruppe. Und natürlich hab ich auch ein bisschen kabarettiert. Damit ich nicht völlig aus der Übung komme.

Der Plan war ja, vom Tanzkurs in Springe zur Celler Schule nach Rendsburg zu wandern. Schon, um die beiden Orte miteinander zu verbinden – wo wir schon mit der Celler Schule aus Springe weg mussten.
Ein einfacher Blick auf die Karte zeigte dann die Kombination von sechs Wandertagen und 280 Kilometern, was auch Hagemannscher Berufsoptimismus nicht unter einen Hut kriegte. Ich ließ mich also am Ende des Tanzseminars mit Luisa zusammen bis kurz vor Hamburg mitnehmen und dann von Luisa leicht überreden, am Montag erst noch mal zusammen auf dem neu ausgeschilderten Rundwanderweg rund um Hamburg im Grünen zu wandern. Was klasse losgeht, mit Bootsfahrt nach Teufelsbrück und dann tatsächlich ziemlich viele grüne Abschnitte hat, dafür, dass es Großstadt ist. Einige berückend schön. Andere mit etlichen großen Straßen und Einkaufszentren drin, was nicht schön ist, aber natürlich praktisch, wenn man Hunger hat.
Sage ich jetzt aus der Weisheit, die sich mir im ländlichen Schleswig-Holstein aufdrängt, wo es kein bisschen mehr Läden gibt als im ländlichen Südfrankreich und die Frage des Hungers beim Wandern wieder anfängt, ins Gewicht zu fallen.

Es ist ja ein bisschen peinlich, zugeben zu müssen, dass meine 77-jährige Mutter ein schnelleres Durchschnittstempo anschlägt als ich mit all meinen Wanderkilometern. Ich habe mich aber geniert, sie zu bitten, ein bisschen zu bremsen, schon weil ich weiß, dass sie es viel anstrengender findet, zu langsam zu wandern, als ungebremst losrauschen zu können. Und anstrengend war ich bestimmt in der Trotzphase schon genug. Immerhin fanden wir schöne Gelegenheiten zum Pausenmachen und Broteessen und mit Eis- und Limoverkäufern Schäkern.
Es ist großartig, wenn man solche Ausflüge auch nach der Pensionierung noch mit seinen Eltern machen kann. Zumindest mit den überlebenden.

Abends habe ich dann die Tour nach Rendsburg mit der Komoot-App geplant. Dies ist keine Schleichwerbung. Ich finde sie o.k., aber nicht überragend. Man sieht vor allem in den Ortschaften viel zu wenige Straßennamen, oft aus dem idiotischen Grund, dass die blaue Linie, der man folgen soll, sie verdeckt.
Außerdem muss man nach der Grob-Planung dann immer mit diversen weiteren Apps die Übernachtungen organisieren und dann die Feinplanung noch mal von Bett zu Bett vornehmen, und wenn man Pech hat, sind die Betten dann so zueinander gelegen, dass man viel Landstraße läuft, um das jeweils nächste zu erreichen. Aber dafür kann die App nichts, das liegt daran, dass Verbindungswege lieber für Autos gebaut werden als für Fußreisende oder Pferde.
Am nächsten Morgen fuhr ich nach Pinneberg und lief los. Landstraße bei Regen.
Ihr erinnert euch, dass man große Unternehmungen besser mit ungünstigen Umständen beginnt, damit man nachher dankbarer ist.
Das hat wieder gut geklappt.
Das abendliche Quartier war ein Bauernhof mit netten Zimmern, der nicht Vermietetes bei AirBnB billig verscheuert. Das dann aber ohne das angepriesene herrliche Frühstück.

Mittwoch war es schon weniger feucht und die Landschaft zum Teil großartig. Wie im Dänemark-Urlaub. Eindrucksvolle Wolken, wie Brotteig auf die unterste Luftschicht geklopst, so dass sie unten ganz plattgematscht waren und oben wie Baiser. Und Kornfelder und Weidenröschen.
Da die App mir hier reichlich viele Straßen und Fahrwege vorschlägt, nutzte ich die erste Gelegenheit, im Wald einen als Trampelpfad eingezeichneten Abzweig am Waldrand entlang auszuprobieren. Er erwies sich als berückend schön und voller wilder Himbeeren, die keiner gepflückt hatte, weil es offiziell ein Reitweg war. Und Reiterinnen steigen nicht von Pferden wegen ein paar Himbeeren. Sie sind zu weit oben und meist auch zu schnell. Merke also: es lohnt sich, ab und zu die vorgezeichneten Wege zu verlassen.

Ein paar Stunden später wollte die App mich etliche Kilometer auf dem Radweg neben einer vielbefahrenen Landstraße entlang führen. Aber – da war wieder so eine Alternativroute mit kleineren Wegen, ein bisschen länger, aber sie ersparte mir die Landstraße. Ich ging also zwei Kilometer nach links, ebenfalls Straße, nur ohne Radweg daneben, und fand mich am richtigen Abzweig in moorige Wiesenlandschaft. Vater und Sohn führten da gerade zwei Hunde hinein. Sicherheitshalber fragte ich nach, ob ich da nach Kellinghusen käme. „Nee. Die Brücke ist weg. Der vorige Bürgermeister hat sie vor zwei Jahren als erste Amtshandlung abreißen lassen, weil sie angeblich unsicher war. Quatsch. Die war auf zwei Stahlträgern, die war stabil. Da war bloß ne Lücke zwischen Weg und Geländer, da hätte man mit nem Winkeleisen kommen müssen – na, nun ist sie weg. Und der Bürgermeister auch schon wieder. Und ne neue Brücke ist noch nicht in Sicht.“ Er beschrieb mir dann den Weg nach Kellinghusen mit 5 km Umweg. Was mich nicht begeisterte, weil die Etappe sowieso schon 25 km lang war.
Immerhin war der Umweg, nachdem man zwei km später von der Straße weg war, unheimlich schön durch blühende Wiesen.

Und so uneindeutig, dass ich mich gleich noch ein zweites Mal gründlich verfranzt habe, diesmal nicht durch fehlende Infrastruktur, sondern durch Verwechseln von rechts und links.
Es wurde spät und später. Ich hatte, weil die Unterkünfte überhaupt nicht so dicht gesät sind, wie ich mir gewünscht hätte, auf ein kleines Hotel namens Seelust zurückgreifen müssen, und die hatten Check-In bis 18:00 Uhr. Es wurde echt knapp. In Kellinghusen versuchte ich noch was zu essen zu bekommen, aber die nicht generell geschlossenen Restaurants machten gerade Nachmittagspause, nur das Eiscafé hatte Erbarmen und servierte mir Apfelstrudel. Aber als Frühstück plus Mittagessen war das mager. Der türkische Gemüseladen am Ortsausgang rettete mich, und schwer bepackt rannte ich weiter. Es war erstaunlich hügelig, verglichen mit dem Tag davor. Und schön waldig.
Ich schaffte es bis kurz vor sechs, und das Hotel ist so süß, dass ich es hiermit wärmstens empfehle. Es liegt in Hennstedt im Ortsteil Seelust.
Mit den Ortsnamen hier muss man aufpassen, sie sind so wenig variiert wie auf Bali die Vornamen. Langjährige LeserInnen werden sich erinnern, dass da beim einfachen Volk die Kinder schlicht numeriert werden. Das älteste, egal ob Junge oder Mädchen, heißt „das Erste“, das zweite „das mittlere“, das dritte „das kleine“, das vierte so was ähnliches wie „och Gott, NOCH eins!“, und dann fängt man wieder von vorne an.
So ist das in Schleswig-Holstein auch. Man kann in Henstedt-Ulzburg aus dem Zug steigen und zwei Tage wandern und landet in Hennstedt. Nichts gewonnen außer einem N. Ähnliches geht mit Barmstedt und Bad Bramstedt. Ich glaube, Legasthenie führte hier schon zu Todesfällen durch Verhungern auf der Landstraße. Es gibt auch an jeder Ecke Ortschaften namens Schülp. Aber das ist verständlich, denn hier ist alles moorig, und sicher hat man da überall Schilf für die ehemals allgegenwärtigen Reetdachhäuser geschnitten. Heute gibts noch etliche, aber viele der altehrwürdigen Bauernhäuser schmücken sich heute mit verschiedensten Formen von Wellblech oben drauf.
Nicht so das Hotel Seelust in Hennstedt. Es liegt entzückend am Seeufer, dessen gegenüberliegende Seite nicht bebaut ist, so dass man von der Kaffeeterrasse einen tollen Blick hat. Einmal sprang etwas so Großes aus dem Wasser, dass ich dachte, ein größeres Ferkel gesehen zu haben. Bis ich richtig hinguckte, sah man natürlich nur noch Ringe auf dem Wasser. Ein Hotelmitarbeiter sagte, ja, sie hätten da einen ganz alten Hecht, der da immer spielte, und weil in dem See nicht geangelt würde, würde er halt in Ruhe immer älter.
Außerdem hat das Hotel sehr schnuckelige Zimmer mit Blümchentapeten und begehbarem Wandschrank oder Wände in himmelblauen Streifen mit passenden Nachttischlämpchen zu bieten und eine sehr schöne Sauna in Lehm- und Kalkputz („bumpy walls“ der Extraklasse!) mit Fenstern und Seeblick, die sie extra für mich eingeheizt haben. Zum Abkühlen kann man sich auf der Dachterrasse in einen Schaukelsessel fläzen und lustige Lieder über „Staub“ verfassen. (Nicht weil es da staubig wäre, sondern weil es die Kursaufgabe für die Celler Schule ist, die ja am Horizont dräut.) Abgesehen davon ist das Personal wonnig und das Frühstück prima. Auch die Abendkarte sah mir gut aus, aber ich musste ja meine Kellinghusener Einkäufe aufessen. Also: Wer nicht weit weg von Hamburg mal Kurzurlaub mit Wellness machen will und Erholung pur braucht: Hotel Seelust!

DAS ist jetzt Schleichwerbung!

Viele liebe Grüße
Julia

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