So, JETZT kommen wir zu dem Punkt, an dem viele herkömmliche Chor-Einsingen vorschnell einsetzen. Weil ihr JETZT das Körpergefühl der einzelnen „Zutaten“ für schöne, schwebende Gesangslinien so klar habt (hoffe ich), dass es sich von selbst in die komplexeren Übungen und dann auch in eure Stücke mit reinschleicht.
Streng genommen könnt ihr, sobald ihr das Körpergefühl klar habt, damit auch direkt in die Stücke einsteigen. Aber manche Chöre mögen ja noch ein bisschen Akrobatik in Etüdenform und turnen sich begeistert durch „Figarofigaro“ und „Pharaopharao“ und „Minneminneminne“ in chromatisch aufsteigenden Dreiklangsbrechungen.
Diese Stimmsportler sollen hier mit Material versorgt werden. Denn natürlich gibt es schöne Übungen, mit denen man die Elastizität auf immer verwegenere Weise trainieren kann. Und spüren, wie die endlose Dehnung sich jeder Tonhöhe und jedem Vokal- oder Lautstärkewechsel neu anpasst.
Der vielleicht der interessanteste Punkt an Übungen, die rauf und runter über die ganze Klaviatur gesungen werden: Sie erlauben euch, zu fühlen, dass genau das, was für die Tonfolge, wenn ihr sie von C aus singt, ideal war, schon nicht mehr optimal ist, wenn ihr von Cis oder D anfangt. Es ist ein ständiges Finden und Erfinden. Wer nur reproduziert, klingt schon nicht mehr.
- 6a: Klassische Einsing-Übungen und wie man sie einsetzen kann (19 min.)
- Praxisbonus Karaoke: Mozart, Sehnsucht nach dem Frühling (= Komm, lieber Mai) zum Anhören und Mitsingen
Ihr seid nicht die Spur verpflichtet, alle von diesen Übungen heute am Stück zu machen. Wenn ihr mehr Lust dazu habt, nur eine zu machen, die aber mit Hingabe, tut das! Die anderen laufen euch ja nicht weg. Überhaupt erschließt sich mir der Sinn davon, am Anfang der Chorprobe einfach ohne Hinfühlen und Gefühl fürs Wie und Warum zehn Übungen durchzujodeln, eher nicht. Wie gesagt: Dann hat man sich eingesungen, ist aber nicht eingesungen und klingt hinterher im besten Fall genau so wie vorher, im schlechtesten Fall ist man heiser.
Goldene Regel fürs Singen Üben: Lieber EINE Minute mit Hingabe und Gefühl als 45 min. (oder jede beliebige andere Zeit) gefühllos absolviert. Lieber EINEN Quintsprung in schwebender Dehnung als zweihundert Minneminnes lustlos geleiert.
In diesem Sinn: Viel Spaß mit einer Minute Singen!
Liebe Grüße
Julia
