Hallo ihr Lieben,
jetzt gibts wieder mal Neuigkeiten. Nicht ausgeschlossen, dass in den nächsten Tagen ein bisschen mehr kommt. Denn ich bin auf dem Weg nach… ja, kann ich jetzt nicht sagen, aber jedenfalls zum earthbag-Baukurs! Später mehr davon. Deshalb müssen die, die noch auf eine personalisierte Lied-Aufnahme warten, leider noch zwei Wochen länger warten. Aber dann!
Wenn man nur die Augen danach offen hält, scheint die Welt ständig voller lustiger Zufälle zu sein.
Letzte Woche hat sich die Nachbarin einer Freundin bei mir gemeldet, ob ich ihrer Kollegin und deren Band Gesangsunterricht geben wolle. Na klar. Immer doch. Im Hin- und Hermailen ergab sich dann, dass ihr Mann jener Nachbarin auch gern sänge und sie ihm gern eine Stunde schenken würde. Bei ihr selbst sei dagegen ja leider Hopfen und Malz verloren. Ich hörte die Zeichen von Sehnsucht und vermurkster Lernkurve und schrieb eine flammende Predigt-Mail im Sinne von „wenn du das WILLST, unbedingt machen, ich wette mit dir um einen mittleren dreistelligen Betrag, dass das klappt!“ Und guckte nebenher mal nach, ob ich für die Kollegin mit der Band in der Nähe von Osnabrück denn überhaupt die ideale Lehrkraft sei, einerseits örtlich (in Osnabrück MUSSTE es doch eine Auswahl an GesangslehrerInnen geben) und andererseits fachlich, weil Bands ja gern mal ein anderes Klangideal haben als Bach-Fans.
Beim Recherchieren stieß ich auf diverse Leute, die mir gut und interessant aussahen, besonders eine. Die auf ein Studium im klassischen Gesang noch Jazzgesang draufgesattelt hat und jeweils eine Ausbildung in Estille-Voice Technique und Complete Vocal Technique (CVT) gemacht hat. Zwei Dinge die ich mir schon seit Langem ansehen wollte. Ich gab die Infos an Anke und Sonja weiter und guckte mir von dieser Gesangslehrerin mal den Workshop-Plan an. Aha, kommendes Wochenende Basis- und Aufbaukurs CVT. Erste Aktion nach Corona, die stattindet. Und wie das immer so ist mit diesen lustigen Zufällen, war am Samstag genau noch EIN Platz frei, und der Sonntag konnte nur stattinden, wenn ich mich schnell anmeldete. Was ich dann natürlich gemacht habe.
Freitag Abend machte ich einen sehr erfreulichen Mini-Spontanworkshop mit Anke, Sonja, und Markus in eher klassisch ausgerichteter Singerei und war total begeistert von den drei schönen Stimmen und der Geschwindigkeit und Freude, mit der sie ausprobiert und umgesetzt haben. Und, für alle die auch immer mal überlegen, ob es noch lohnt, IRGENDWAS anzufangen, nach dem man sich sehnt, jetzt mit über vierzig / über achtzig / über zwanzig Jahren: Bei Anke ist nicht nur weder Hopfen noch Malz verloren, sondern die Stimme ist eine Wucht! Üppig und strahlend und wunderschön. Ein Verbrechen, dass man diesem Kind damals vermittelt hat, das würde für den Schulchor nicht reichen. Zack – Ende der Lernkurve. Statt wie in jedem anderen Fach zu sagen: „Wenn du gut werden willst, lernst du jetzt am besten folgenden nächsten Schritt…“, heißt es „Och nö, helfen wir doch lieber denen weiter, die schon am besten sind, und sortieren den Rest aus. Das ist auch gut fürs Selbstwertgefühl und den Spaß am Musikmachen im Allgemeinen.“
Ich werde schon wieder polemisch.
Aber wie gut, dass man das wieder aufgreifen kann! Ich kenn das ja noch vom Zeichnen, wo ich ja auch in der Schule immer so als „Och Gott ja, ganz niedlich, aber nicht BEGABT“ mitlief und dachte, ich „könnte halt nicht zeichnen“. Irgendwann mit über zwanzig hab ich dann aus purer Neugierde und weil ich es ja schon gern lernen wollte, mal einen Portraitzeichenkurs mitgemacht. Und war richtig empört, als mir aufging, dass man das NATÜRLICH lernen kann, dass es Andreas, dem Lehrer, Spaß gemacht hat, uns das beizubringen und uns weiterzuhelfen, und dass der Kunstunterricht in der Schule sich da bloß bequem davor gedrückt hatte, das zu tun, und uns lieber mit dem Gefühl gehen ließ, wir seien halt ein bisschen minderbemittelt.
O.k., ich schweife schon wieder weiträumig ab. Freitag Abend also diese hocherfeuliche Singerei mit den drei Freiwilligen, die mir noch dazu einen großen Teil des Wochenend-Singkurses finanziert hat, dann Walderdbeeren mit Vanilleeis im Wintergarten von Edith und Peter, wo ich auch übernachten durfte. Morgens hat Edith darauf bestanden, mich nach Osnabrück zu bringen, damit wir mehr Zeit fürs gemütliche Frühstück hatten. Ich hoffe, sie hat aus der Baustelle im Osnabrücker Hafen hinterher wieder rausgefunden.
Und dann trafen wir uns mit einem coronagerecht sehr kleinen Grüppchen in einem großen Raum mitten zwischen schlagzeugübenden KollegInnen in den Nachbarräumen.
Ich war die mit der wenigsten Ahnung von CVT und Pop-Gesang im Allgemeinen. Das war aber sehr lustig, zur Abwechslung mal die zu sein, die keine Hör-Kategorien für diese Klänge im Kopf hatte und immer nachfragen musste: „WIE soll das jetzt klingen? Aha. Und das ist jetzt Curbing? Was, nicht? Overdrive, aha.“
Am ersten Tag konnte ich die Sachen zwar überraschend gut imitieren und war sehr erstaunt, wie ich so klang, so ganz unklassisch, und es hat auch viel Spaß gemacht, alles bis spät abends zu Hause noch mal auszuprobieren und Beispiele für die verschiedenen Klangfarben zu finden (die Hausaufgabe) – aber so richtig im Gefühl hatte ich das alles noch nicht und habe dann schön alles Neue und Richtige, weil ich es nicht 100% wiedergefunden habe, durch das gute alte Drücken ersetzt, bis mir der Hals qualmte und ich wusste, dass ich am nächsten Tag noch einige genauere Informationen brauchte.
Also schwang ich mich am Morgen wieder aufs Fahrrad (das neue, das ich nach dem Wochenende mit Anne und Su von Renate aus Hamburg abgeholt habe) und fuhr mit Rad, Zug, Zug und Zug plus 35 min. Fußweg wieder zum Kurs. Da haben wir dann, zum Leidwesen der „alten Hasen“ alles noch mal gründlich wiederholt, und es wurde schon mal …
Oha, gerade fahren wir in den Tunnel, der zu Asterix‘ Zeiten begonnen worden ist. Zwanzigtausend Meilen unter dem Meer.
Was jetzt ein Spoiler ist, dann wisst ihr jetzt schon, dass sie mich an der Grenze nicht aufgehalten haben. Obwohl es knapp war.
Also:
…es wurde schon mal klarer. Dann kam die Hausaufgabe, die nicht nur bei mir, sondern durchweg zu sehr wenig Nachtschlaf geführt hatte: jedeR sang, röhrte oder säuselte eine Beispielphrase für eine der Klangfarben, und die anderen hörten raus, was es war oder zumindest sein sollte, und imitierten, so gut es ging. Da merkte ich, dass ich den Dreh langsam kriegte. Merke: Curbing ist, wenns klingt als wenns auf dem Klo nicht so will. Aber edler natürlich, viel edler. Overdrive, dazu hätt Frau Nöthlich damals „bölken“ gesagt. Aber edler natürlich, viel edler. Oder auch nicht, man hat da ein erstaunliches Farbenspektrum zur Verfügung.
Ich erklär die „Modes“ hier jetzt nicht alle, macht gern mal so nen Kurs, das ist hochspannend. Man kann da überall mehr oder weniger „Metall“ reinmischen und mehr oder weniger „Twang“ (was in Reinform die Klangfarbe einer empörten Ente ist, in geschmackvoller Dosierung aber plötzlich ehemals unsingbare Stücke ganz leicht macht und bei hohen Tönen die Klangfarbe von „Ooooohpernsängerrrinnn“ zu „Nö, ich sing das einfach“ ändern kann.)
Und innerhalb von zwei Kurstagen verdreifachen sich plötzlich die Klangmöglichkeiten.
In den nachmittäglichen Einzeleinheiten hatten die beiden, die vor mir dran waren, jeweils Stücke am oberen Rand ihrer Möglichkeiten gewählt und pendelten zwischen „Aiaiaiii, schweeeeeres Stück!“ und „Hui, klasse!“ hin und her. Ich hatte dasselbe vor, wollte doch testen, ob man mit Twang jetzt auch die hohen Töne von Jeske/Bielfelds Chanson „Willi“ (das Stück ist viel zauberhafter als der Titel vermuten lässt) singen kann, ohne ass hinterher alle verständnisvoll nicken und sagen: „Du hast jetzt aber schon KLASSISCHEN Unterricht gehabt oder?“, und meine Kursgenossinnen taten mir schon im Voraus Leid.
Allerdings erwies es sich, dass das mit dem Twang so leicht war, dass die Kursleiterin nach der ersten Strophe sagte: „Äh ja, und was wolltest du jetzt daran arbeiten?“ „O.k.,“ sagte ich, „lass uns die vierte Strophe nehmen, die ist einen Ton höher.“ Das war aber immer noch kein Problem, also packten wir das Lied weg und nahmen uns Edith Piaf vor. Was ich bisher butterweich gesäuselt hatte. Jetzt hab ich es gebölkt. Und endlich kapiert, was in diesem speziellen Zusammenhang nun wieder mit „Stütze“ gemeint war (das Unwort des Jahres, und jeder versteht was Anderes drunter, und meistens was, das fest macht beim Singen), und es war seeeehr cool und hat viel Spaß gemacht. Und war, anders als ich immer vermutet hatte, nicht die Spur anstrengend für die Stimme.
Meine ganz frühere Gesangslehrerin Do hat ja gern gesagt: „Von allem ist immer auch das Gegenteil richtig. Gerade beim Singen“. Das war unübersehbar an diesem Wochenende. Von ganz vielen Sachen, die ich für tödlich gehalten hatte, weiß ich jetzt, dass sie sehr gut machbar sind und toll klingen können.
Ich hatte diesen Kurs ja unter Anderem deshalb so kurzfristig gemacht, weil erstens das Selva-Konzert an dem Wochenende ja ausfiel und zweitens immer sicherer zu werden schien, dass sich dank der englischen Qurarantäneregelung keine Möglichkeit finden würde, den Hausbaukurs – oh, wir sind in England und fahren zwischen hohen Zäunen dahin, aber wenigstens wieder bei Tageslicht! – den Hausbaukurs mitzumachen.
Deshalb hatte ich auch von Osnabrück aus noch gemütlich Ute in Hannover besucht (die gnadenlos tolle Sängerin, die ich euch Karfreitag ans Herz gelegt hatte), um in ihren Geburtstag reinzufeiern. Also beinahe. Kurz vor Mitternacht haben wir uns vertagt und dann Montag mit einer weiteren Freundin von ihr und deren schwer bastelsüchtiger kleiner Tochter feudal zu frühstücken. Die kleine J. aß zwei Schokotörtchen und zwitscherte dann ab, um einen Fächer aus selbstbemaltem Papier zu falten. Als das Erfolg hatte, machte sie ungefähr elf weitere Fächer in abnehmendem Grad der künstlerischen Ausgestaltung, und ihre Mutter musste jeweils mitten im Wort unterbrechen und Schleifen drumbinden, damit sie unten zusammenblieben. Offnebar wird im Kindergarten das Falten geübt, aber nicht das Schleifenbinden.
Und jeden Tag seit Wochen hatte ich geguckt, ob die englische Regierung jetzt em Druck der Fluggeselschaften nachgibt und die Quarantänepläne aufhebt – aber nein!
Montag Abend (warum nicht früher?) kam ich dann …
Achtung: alles, was jetzt kommt, ist reines Wunschdenken! Sucht euch aus, ob ich im Emsland sitze, baden gehe und Klavier übe oder auf einem Acker in East Sussex Möhren ziehe.
… wäre ich dann, wenn ich schlauer gewesen wäre, auf die Idee gekommen, die Kursleiterin einfach mal anzurufen und zu hören, was sie denkt über die Mitwirkung von Ausländerinnen, die auf der Farm in Quarantäne sitzen und von Ferne mit großen Augen zusehen, wie das geht mit dem Bauen. Und vielleicht auch mal mit sorgfältig desinfizierten Fingern von Ferne einen Erdsack anschleppen. Und dann wäre ich vielleicht auch drauf gekommen, sie zu bitten, am ersten Kurstag die anderen zu fragen, ob sie denn sehr beunruhigt wären, wenn ich genau das täte.
Und vielleicht hätte sie mir dann vorgeschlagen, eine Mail zu schreiben, wo drinstände, dass ich es ja im März schon hatte und auch nicht fliegen, sondern Zug fahren würde und so. Sicher hätte ich so eine gute Idee dann aufgegriffen und gleich vorgestern Abend diese Mail verfasst. Und was wäre ich glücklich gewesen, schon eine Stunde später eine ganz liebe Antwort von zweien aus dem Kurs zu kriegen, sie fänden das schön und es komme nicht in Frage, dass ich alleine äße und dergleichen Unsinn.
Und wenn es ganz toll gekommen wäre, hätten sich bis gestern spät am Abend auch die anderen vier noch gemeldet UND mir die Betreiberin der Farm noch eine Bestätigung geschickt, dass ich dort auf der Farm arbeiten würde (was ich vorhabe – und wie!), so dass die strenge Quarantäne in eine selbst zu überwachende Self-Isolation abgemildert worden wäre.

Zum Glück konnten wir dann den Kurs noch so verschieben, dass er zufällig genau am Tag begann, an dem die Quarantäneregelung außer Kraft gesetzt und die Abstandsgebote von 2 auf einen Meter verringert wurden. Denn es wäre schwer gewesen, zu zweit auf den Wänden einer Kuppel mit oben noch 90 cm Durchmesser stehend, zwei Meter Abstand zuverlässig einzuhalten. Bei einem Meter kann man sich da noch auf Messfehler berufen.
Ich werde euch also in den nächsten Tagen schreiben, wie das ist, wenn man lernt, ein Haus aus Säcken voller Erde zu bauen. Nur falls ihr die Fähigkeit mal braucht.
Liebe Grüße
Julia



























































