Hallo ihr Lieben!
Über meinen Geburtstag war Annette hier, „meine“ Pianistin, die den umständlichen Weg von München hierher nicht gescheut hat, und wir haben eine Menge Musik gemacht. Macht das Spaß, wenn man das nicht allein tun muss! Wir haben jede Menge Zeug vom Blatt gemuckt, das ich zum Teil seit Jahrzehnten rumliegen hatte, und jetzt weiß ich, welche Noten ich sofort entsorgen kann und welche andererseits unbedingt auf die Übeliste kommen.
Außerdem haben wir unser Konzert, das wir eigentlich schick im Schloss von Rothenburg ob der Tauber hätten haben sollen, gut bezahlt und mit Übernachtung dort und so, stattdessen einfach in Kurzform auf meine Terrasse verlegt und das Nachbarinnen-Bastelkränzchen samt Ehemännern und vorhandenen Kindern eingeladen. Sie schmorten auf der Terrasse und hielten sich an den Kühlelementen fest, die eigentlich für die Sahne der Waffeln gedacht gewesen waren, Annette saß im Wohnzimmer am Klavier und ich stand in der Tür dazwischen.
Die Nachbarschaft hat brav durchgehalten.
Und danach waren Sabine und Klaus aus Düsseldorf hier zum Singen, und wir haben es tatsächlich bis zu dreistimmigen Sätzen gebracht und die Nachbarschaft gleich wieder beschallt. Und mussten dann feststellen, dass Querdels Hofcafé Sommerpause hat und die sehr gut aussehende Speisekarte vom Hotel Fokus nur außerhalb der Biergarten-Saison gilt.
Im Sommer gibt es NUR acht Sorten Bratwurst mit und ohne Kartoffelsalat.
Und Schweinelendchen. Ein Wort, das ich immer nach der ersten Silbe trennen möchte.
Aus purer Freundlichkeit lief der Koch, der jetzt nur Griller ist, zwischendurch nach drinnen in die Küche und machte mir eine Tomatensuppe.
Und nun bin ich wieder allein hier, und man kann ja nicht den GANZEN Tag baden. Auch wenn die Ems die perfekte Temperatur hat.
Also mach ich mal wieder nen Kurs.
Schon weil der Celler-Schul-Jahrgang ja mit Appetithäppchen über Wasser gehalten werden muss, bis es im Januar weitergeht.
Und wer sonst noch Lust hat, soll sich auf jeden Fall mit ins Vergnügen stürzen. (Und wer nicht, kann von hier direkt zu „liebe Grüße“ springen 🙂
Wir beschäftigen uns jetzt mal mit den Rhythmen der deutschen Spache. Und wie man die bewusst einsetzen kann. Der Inhalt wird FURCHTBAR darunter leiden am Anfang. Deshalb ist es am besten, wir nehmen uns vor, den sinnlosesten Inhalt der Welt zu verfassen, dann sind wir auf jeden Fall erfolgreich – und haben viel mehr Spaß.
Hier wird der Autopilot des Gehirns neu programmiert. Die Suchmaschine, die sonst immer nach gutem Inhalt sucht und den dann mit Heckenschere und Schuhlöffel in die benötigte Form zu basteln versucht, soll jetzt lernen, automatisch und mit Vergnügen auf dem Silbertablett ausschließlich Sätze und Satzteile zu präsentieren, die mit Leichtigkeit absolut elegant die Form bedienen – völlig unabhängig vom Inhalt.
Wenn ihr die Wahl habt, den Satz sinnvoll fortzuführen, bloß mit ETWAS wackelndem Rhythmus oder bildschön ins Betonungsmuster passenden haarsträubenden Unsinn zu schreiben, SCHREIBT DEN UNSINN!!!!
Betrachtet es als Neo-Dada und schiebt die Schuld auf mich.
Hier ist der Film, in dem ich erkläre, wie es geht (YouTube öffnet sich automatisch)

Ihr braucht Stift, Papier und Küchenwecker o.ä. sowie ca. 20 min. Zeit.
10 min. dauert der Film, 2 x 5 min. dürft ihr zwischendurch schreiben. Wenn ihr wollt, auch länger oder kürzer oder öfter.
Wer unbedingt wissen will, wie ich zu diesem seltsamen Unterrichtsansatz kam: 2009 sollten wir in der VHS Düsseldorf in Elisabeth Kuhs‘ vor schrägen Ideen strotzenden Kursen mal einen Text zum Thema „Zwei“ verfassen, und ich dachte: „Könnte das Thema nicht nur auf alle möglichen Weisen den Inhalt durchziehen, sondern sich zusätzlich noch in der Form äußern, indem der ganze Text in Zweiertakten steht?“ So kam das. Außerdem besteht die Geschichte aus zwei Sätzen auf zwei Seiten. Es sind eher lange Sätze.
Und dann habe ich weiterprobiert und kam darauf, dass man wunderbare Inhalte bekommt, wenn man sich um Inhalte nicht kümmert, dafür aber blitzsaubere Form liefert, die einem nicht zu leicht fällt. Weil die normalerweise angezogene Handbremse des Gehirns, die verhindern will, dass wir „Peinliches“ schreiben, dann völlig mit anderen Dingen beschäftigt ist und ein bisschen loslässt.
Und weil alles Vernünftige, das wir gern geschrieben hätten, nicht geht, und wir leider gezwungen sind, diesen inakzeptablen Inhalt als letzte Notlösung zu erlauben.
Diesen ersten VHS-Text könnt ihr euch bei Interesse hier als pdf ansehen:
Anwendung in freier Wildbahn: Hier ein Beispiel dafür, WIE verschieden genau dasselbe Sujet klingt, wenn es mal im Walzer und mal im Marsch läuft:
Strand von Westerland heute Nachmittag Unendliches Rollen, hier schwindet das Wollen. Es steigen die Wogen und fallen im Bogen und toben und tosen und plätschern und kippen und grollen und lachen mit schäumenden Lippen. Sie stürzen sich näher, ihr Ziel zu erreichen und müssen doch immer der nächsten schon weichen. Es scheint so viel Kampf und vergebliches Streben und ist doch nur Leben. JH 14.3.12 | noch eins, auch von da Die Nordsee tost ganz ohne Zweck, die Wellen kommen, fließen weg, sie lecken gierig weit ins Land, zerrinnen schäumend auf dem Sand, sie stelln der nächsten schnell ein Bein, da fällt sie drüber, rollt sich ein, fließt unentschlossen etwas seitlich und wird dann selber unvermeidlich vom großen Ganzen aufgesogen. Und die Gemeinschaft dieser Wogen fraß schon halb Sylt. Son Meer ist wild. JH 14.3.12 |
Stücke von mir, die aus diesem rein rhythmischen Ansatz und unter tatkräftiger Vernachlässigung der inhaltlichen Steuerung entstanden sind (und die beweisen, dass ziellose Blödelei manchmal später zum Broterwerb dient):
Wiebke (YouTube)
Viele der Märchenparodien, da bring ich später ein paar Beispiele
Anapästbeulen (ein Uralt-Werk in einfüßigen Dreiern)
In der Hoffnung, dass einigen von euch diese Rhythmus-Spiele ähnlich viel Spaß machen wie mir,
für heute liebe Grüße
Julia
Foto: Dorothea Wagener